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Liebes Russland FAS 2023

Als Russe wird man mit Gewalt gestopft, überfüttert wie eine französische Gans mit Mais und Schweineschmalz. So entsteht eine Delikatesse, die Foie gras für Russlandliebhaber, die russische Literatur. Wenn ich zurückblicke, sehe ich lauter gebrochene Autorenschicksale. Eine Kugel am Ende des Lebens oder der Strang, Lager, Zwangsernährung oder Hunger oder, wie der Dichter Alexander Blok schrieb: „Mich hat mein verfilztes, stammelndes, geliebtes Mütterchen Russland gefressen wie die Muttersau ihr Ferkel“. weiter...

Fremdsprachenstunde für Friedenstauben NZZ 2023

Ich schaue vom Rand einer Grube auf hineingeworfene Leichen, und ich frage mich, ob der junge Mann, der nur einen Gummistiefel trägt, gegen die russische Armee gekämpft hat und ob die Frau neben ihm wirklich Zivilistin war. Trainingshosen, alte Socken, bunte Kopftücher. Die Grube liegt irgendwo in Grosny, es ist Februar 1995, zwischen halbzerstörten Wohnblocks ist niemand zu sehen, die Russen schiessen auf Passanten. Neben der Grube sehe ich mehr Tote, es stinkt, und heute bin ich angewidert von mir selbst, wie ich da stehe und mich nicht auch mitgestorben, miterschossen fühle. weiter...

Rettet Russland NZZ 2023

Ohne einen Bruch mit sich selbst kann in Russland nur das entstehen, was nach allen historischen Umbrüchen, Revolutionen und Restaurationen immer wieder auferstanden ist: ein mörderisches Wir. weiter...

STOLPERWORTE Literaturlesungen an den Stolpersteinen 2022

Autorinnen und Autoren suchen in ihren Texten, die sie auf den Stolpersteinen vortragen, einen persönlichen Zugang zur NS-Vergangenheit. Wie erscheint diese Erinnerung im Schlaglicht eines Krieges, der schon jetzt in die Vergessenheit abzurutschen droht? weiter...

Die Russen wollen Krieg NZZ 2014, 2023

1974 starb ein Mann, der wohl mehr Menschen in den Tod geschickt hat als jeder andere Russe im Jahrhundert des massenhaften Tötens. Er wird heute als Retter des Vaterlands und genialer Heerführer verehrt – der Eroberer Berlins und Marschall der Sowjetunion, Georgi Schukow. mehr...

Die russische Schuld FAS 2022

Bevor Russland die Ukraine überfiel, schrieb ich ein Buch über Paul Celan. Seitdem kann ich nur noch eins: verfolgen, wie sich die Ukrainer wehren, auf dem Schlachtfeld und in den sozialen Netzwerken. Gleich in der ersten Kriegswoche fiel mir etwas auf, was auch schon Celan erlebt hatte. Das werde ich hier aufschreiben. weiter...

Evakuiert Stolperworte 2021

Mein Vater, der nicht mein Vater ist, er ist erst vier, steht an der Reling eines Passagierschiffes und weint. Ein Windstoß hat ihm gerade die Mütze vom Kopf gerissen und über Bord geworfen. Es ist ein Schiffchen, grün und mit roter Quaste, das auf Russisch Pilotka heißt und nichts mit diesem kleinen Binnenschiff zu tun hat, das gestern den Moskauer Flussbahnhof verließ und immer weiter nach Südosten fährt, auf der Moskwa und Oka und Wolga und Kama in den Ural oder in die Evakuazija, wie man in diesem Juli 1941 sagt, um nicht zu sagen, in die Flucht. weiter...

STOLPERWORTE Literaturlesungen an den Stolpersteinen 2021

Autorinnen und Autoren suchen in ihren Texten, die sie auf den Stolpersteinen vortragen, einen persönlichen Zugang zur NS-Vergangenheit. Ist die Geschichte für sie noch gegenwärtig? Aus welcher Richtung nähern sie sich ihr in ihren Texten? Wie können sie, wie können wir heute in unserem Alltag, in unserer Sprache eine Brücke zu dieser Zeit und ihren Opfern schlagen?  weiter...

Der Mut der Verzweiflung Deutschlandfunk Kultur  2018

Unsere Wohnung wurde nie von Behörden durchsucht, obwohl meine Eltern das nicht ohne Grund befürchtet hatten. Der Einzige, der dort Hausdurchsuchungen vornahm, war ich selbst. Ich kam nach der Schule allein nach Hause und statt meine Hausaufgaben zu machen, durchstöberte ich aus Langeweile und Neugier die Sachen meiner Eltern. Einmal fand ich in Vaters Bücherschrank Patronen für ein Kalaschnikow-Maschinengewehr.  weiter...

Boris' Traum Deutschlandfunk Kultur  2017

Damals hatte Boris Schumatsky bereits geahnt, dass er selbst bald verschwinden würde. Er bat seine Tochter, ihren neugeborenen Sohn nach ihm zu nennen, damit zumindest sein Name weiter lebt. Das war mein Vater, der auch mich Boris Schumatsky nannte. Ich glaube, ich bin der letzte Boris Schumatsky in dieser Geschichte, und es ist nun an mir, einen Punkt zu setzen.  weiter...

Das potjomkinsche Paradies ZEIT  2017

Nach kaiserlichem Willen, nach Weisung des Generalsekretärs sollte man an diesem Ort glücklich sein. Und ich war hier glücklich. Glücklich waren auch meine Eltern, glücklich war ihre Freundin, die sich aus dem Busfenster lehnte und rief: “Ach, der Oleander! und die Luft, die Luft!” Wir fuhren in einem Trolleybus auf der längsten Oberleitungsbus-Linie der Welt, drei Stunden vom Eisenbahnhof in Simferopol zum Meer. Am Straßenrand die Rosensträucher höher als der Bus. Es war der erste Tag des Urlaubs und der glücklichste, weil unser Glück gerade erst begonnen hatte und noch unverbraucht vor uns lag. Ich war vielleicht acht. Als unser Trolleybus über die Serpentinen bergab raste, schrien die Fahrgäste auf. Ich schaute nur herunter aufs blaue Schwarze Meer. Zwei Jahrhunderte zuvor fuhr die Kaiserin Katharina aus St. Petersburg auf die Krim. Es war eine für sie höchst zufriedenstellende Reise, kaiserlich gemächlich, die Ankunft genau auf den Sommeranfang gelegt. "Noch nie habe ich Birnbäume so groß wie die höchste und dickste Eiche gesehen, und die hiesige Luft", schrieb Katharina unterwegs, "ist das Allerangenehmste!"

Es ist ein Schock, wieder über die Krim zu fahren, und ich muss mich fragen, ob sich Präsident Putin diese schäbigen Plattenbauten, Bierkioske am Straßenrand, Grillhähnchenbuden und Karaoke-Bars überhaupt angesehen hat, bevor er sie 2014 annektieren ließ.  weiter...

Mein Feind, die Revolution ZEIT 2015

Es gibt viele Gründe, eine Revolution abzulehnen. Man kann zu konservativ, zu bodenständig oder einfach zu alt dafür sein. Was ich mir aber bisher nicht vorstellen konnte, ist, dass man zu links für eine Revolution sein kann. Vor einem Jahr hing ich tagaus, tagein vorm Bildschirm, auf dem in Echtzeit Videos aus Kiew liefen. Als es dort immer kälter wurde, gingen jeden Tag weniger Menschen auf die Straße, und irgendwann protestierte nur ein Häufchen frierender Studenten gegen das Regime, das ihre Mündigkeit geraubt hatte. Dann schlug die Polizei zu. weiter...

Tod in Moskau FAZ 2014

Anfang dieses Jahres, zwei Monate nach dem Tod meines Vaters, schoss sich in Moskau ein pensionierter Admiral in den Kopf. Wie mein Vater war er krebskrank. »Niemand ist schuld an meinem Tod außer dem Gesundheitsministerium und der Regierung«, stand auf dem Zettel den er hinterließ. Am Tag vor dem Selbstmord hatte die Gattin des Admirals vergeblich versucht, Morphin-Ampullen für ihn zu bekommen. Morphin ist das wirksamste Schmerzmittel, das verabreicht wird, wenn nichts anderes mehr hilft. weiter...

Published on  September 10th, 2023

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